Prof. Dr. Heinrich Honsell (Universität Zürich, Schweiz)
Das Einheitliche UN-Kaufrecht (CISG) aus schweizerischer Sicht: Verährung. Gesamtwürdung.


VI. Verjährung

Das Übereinkommen enthält keine Regelung der Verjährung. Lediglich Art. 39 II bestimmt, dass die Vertragswidrigkeit der Ware spätestens innerhalb von zwei Jahren nach der Übergabe angezeigt werden muss. Das ist aber keine Verjährungs-, sondern eine Präklusionsfrist. Für die Verjährung der Ansprüche aus dem Wiener Übereinkommen gilt das revidierte UN-Verjährungsabkommen von 1974 (vgl. dazu LANDFEHRMANN RabelsZ 1975, 266ff.). Nach Art. 8 dieses Übereinkommens beträgt die Verjährungsfrist für alle Ansprüche aus internationalen Kaufverträgen vier Jahre. Der Beitritt zu diesem Abkommen ist nicht geplant, wäre aber im Interesse der Rechtsvereinheitlichung wünschenswert (vgl. KRAPP ZSR 1984 I 291, 311ff.). Solange dies nicht geschehen ist, richtet sich die Verjährung kaufrechtlicher Ansprüche, soweit Schweizer Recht anwendbar ist, nach den allgemeinen Vorschriften von OR 127ff. bzw. OR 210. Problematisch ist die Anwendung von OR 210; denn es wäre möglich, dass die Ansprüche bereits verjährt sind, ehe die zweijährige Ausschlussfrist von Art. 39 II CISG abgelaufen ist.

In Deutschland hat man aus diesem Grund ein Vertragsgesetz erlassen, dessen Art. 3 bestimmt, dass die Verjährungsfrist von § 477 I Satz 1 BGB erst mit der Anzeige gemäss Art. 39 des Übereinkommens zu laufen beginnt. Eine solche Regelung ist aber ohne eine gesetzgeberische Massnahme für die Schweiz nicht möglich. Eine Möglichkeit wäre es, Art. 39 II als kombinierte Ausschluss- und Verjährungsfrist aufzufassen. Lehnt man dies ab, so bleibt es bei OR 210 mit der Folge, dass die Ansprüche verjährt sind, obgleich der Käufer nach Art. 39, 44 noch rügen könnte. Dies ist unbefriedigend. Eine Klärung dieser Frage durch den Gesetzgeber erscheint geboten.

VII. Gesamtwürdigung

Das Wiener Kaufrecht trägt viele Züge eines Kompromisses und gelangt nicht überall zu einer optimalen Lösung. Es erfüllt nicht die Anforderungen, welche an ein weltweit geltendes Einheitskaufrecht zu stellen sind. Auch für die Gesetzgebung gilt das Sprichwort: "Viele Köche verderben den Brei". Als Vorzug lässt sich immerhin die Einfachheit anführen, z. B. beim einheitlichen Tatbestand des breach of contract, der freilich in Einzelpunkten durch eine zu schematische Lösung wiederum geschmälert wird. Auch reicht das Abkommen, was die dogmatische Präzision anlangt, kaum an das Kaufrecht des Obligationenrechts heran. Indessen ist der Beitritt der Schweiz unter dem Aspekt der internationalen Rechtsvereinheitlichung vorbehaltslos zu begrüssen.

Literatur

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